Schöne Schrift

Nicht nur Sprache sollte schön sein. Auch die Schrift, um sie festzuhalten. Hierbei meine ich nicht übertrieben verschnörkelte Schrift für eine kleine handgeschriebene Notiz am Külhschrank. Die Schrift sollte ihrem Zweck entsprechen. Hier geht es mir um Schriften für lange Texte auf Bildschirmen und totem Baum, denn mit ihnen komme ich am häufigsten in Kontakt.

Schönheit ist grundsätzlich subjektiv, doch einige Eigenschaften einer (gedruckten) Schrift sollten auch objektiv selbstverständlich sein: ein regelmäßiges Schriftbild für leichte Lesbarkeit und ein umfänglicher Zeichensatz für mehr als eine Sprachfamilie.

Lesbarkeit

Die Lesbarkeit von Schriften hängt vom darstellenden Medium ab:

Auf Papier kann Schrift mit sehr hoher Auflösung gedruckt werden. Das hat den Vorteil, dass auch noch sehr kleine Feinheiten in der Schrift gut sichtbar sind. Für lange Fließtexte auf Papier sind Schriften mit Serifen der Standard. Serifen betonen die Grund- und Mittellinie und unterstützen den Lesefluss. Eine sehr verbreitete Serifenschrift ist Times. Ich mag sie allerdings nicht. Ich präferiere grundsätzlich Linux Libertine, auch wenn dem ungeschulten Auge kaum Unterschiede auffallen. Das Libertine Open Fonts Project hat eine PDF-Datei erstellt, in der Libertine und Times gegenübergestellt sind. Libertine nutzt die vielen Vorteile des OpenType-Formats um den Text für das Auge noch angenehmer zu gestalten. Der kleine Bruder der Libertine ist Linux Biolinum, eine serifenlose Schrift mit variabler Schriftdicke für Auszeichnungen und Überschriften.

Auf Bildschirmen sieht die Sache schon wieder ganz anders aus: Wegen der begrenzten Auflösung von Monitoren eignen sich Serifenschriften und Schriften mit variabler Schriftdicke eher mäßig bis gar nicht für die Darstellung kleinerer Schriftgrößen. Die feinen Strukturen müssen auf die groben Pixel abgebildet werden, was häufig zu verwaschenen Schriften und unregelmäßiger Buchstabenplatzierung führt, falls dies automatisch geschieht. Um diese Schriften doch einigermaßen leserlich auf Monitoren darstellen zu können, gibt es Hinweise für die Computer. Der Charakter der Schrift geht aber verloren und die meisten Schriften sehen dann sehr ähnlich bis gleich aus. Eine andere Möglichkeit ist die Verwendung von serifenlosen Schriften mit konstanter Schriftdicke. Als sehr populäres Beispiel ist die Helvetica mit ihrer Schwester Arial zu nennen. Auf dem Monitor gefallen mir die beiden eigentlich auch nicht. Viel besser finde ich da die Ubuntu-Schrift. Sie wurde für Canonical entwickelt, der Firma hinter Ubuntu. Die Ubuntu-Schrift ist auch noch bei sehr kleinen Schriftgrößen sehr gut lesbar, ohne ihren Charakter zu verlieren. Die dickengleiche Variante der Ubuntu-Schrift wirkt sogar fast wie eine proportionale Schrift. Letzteres ist besonders interessant für Nutzer, die viel mit Texteditoren und Konsolen arbeiten – so wie ich.

Zeichensatz und Verfügbarkeit

Der Zeichensatz einer Schrift ist entscheidend für ihre Verbreitung. Je mehr Zeichen eine Schrift unterstützt, desto größer ist das geografische Einsatzgebiet. Das Unicode-Projekt definiert einen Zeichensatz, der alle Sinn tragenden Zeichen der Menschheit umfassen soll. Die Libertine deckt einen sehr großen Bereich davon ab. Die Ubuntu-Schrift ist leider noch nicht so weit, wie die Libertine – in Anbetracht des Alters ist das aber nachvollziehbar. Beide Schriftfamilien werden aktiv weiterentwickelt und regelmäßig um neue Zeichen erweitert, auch stehen beide Schriftfamilien unter freien Lizenzen. Das bedeutet nicht nur, dass die Schriften kostenlos genutzt werden können, sondern vielmehr dass sie als Basis für neue, eigene Schriften genutzt werden können.

In LaTex wird durch ein einfaches

usepackage{libertine}

die Libertine als Serifen- und die Biolinum als serifenlose Schrift verwendet, schließlich werden sie mit den üblichen LaTex-Distributionen ausgeliefert. Mit der Ubuntu-Schrift ist das komplizierter. Hier müsste man ein passendes Paket herunterladen. Mit XeTeX ist das einfacher – das kann auch systemeigene Schriften verarbeiten und die vollen Möglichkeiten von OpenType ausnutzen.

Vielleicht schaue ich mir tatsächlich mal XeTeX an. So kompliziert kann das gar nicht sein. Aber auch der designierte Nachfolger steht schon in den Startlöchern: LuaTex müsste bald produktiv einsatzbereit sein.

Meta

Warum genau müsste ich eigentlich $30 im Jahr zahlen, um die Schrift in meinem Blog auf WordPress.com verändern zu dürfen? Ich fühle mich ja ein bisschen veräppelt. Mit der Schrift im Blog bin ich nämlich überhaupt nicht zufrieden. Mal sehen, wann ich die Zeit und die Nerven habe mich nach einem neuen Design umzusehen.

Was sind eure Lieblingsschriften? Eine Vorwarnung: Ich schlage jeden, der Comic Sans sagt! Achtet ihr eigentlich auf Schrift, wenn ihr sie seht? Da ich euch mag, erzähle ich euch nicht, was Kerning ist.

Qwert Zuiopü

Hiermit meine ich – entgegen der Schreibweise – nicht den Nebencharakter im sehr empfehlenswerten Buch „Die 13½ Leben des Käpt’n Blaubär“ von Walter Moers. Es geht um die Tastenbelegung der deutschen Standardtastatur.

Hat sich jemand von euch schon einmal gefragt, warum die Tasten auf der Tastatur so liegen? Ihr wollt das nicht wissen! Dabei ist eigentlich jedem klar, dass diese Belegung echt suboptimal ist.

Menschen, die häufig programmieren, stören sich an den problematisch gelegenen Sonderzeichen. Deshalb verwenden viele Menschen dann die amerikanische Tastatur. Dort liegen die Sonderzeichen besser, die Umlaute und das Eszett sind aber schlechter bis gar nicht erreichbar. Ist auch nicht wirklich bequem.

Die Lösung

Vor einiger Zeit bin ich auf Neo aufmerksam geworden. Es ist ein Tastaturlayout, das auf die deutsche Sprache ausgelegt ist. Dabei sind sowohl alle normalen deutschen Buchstaben, als auch alle Sonderzeichen sehr bequem gelegen. Das funktioniert nur durch zusätzliche Ebenen: Die Kombination von drei Modifikator-Tasten erlaubt den Zugriff auf sechs Ebenen. Das bedeutet, dass (fast) alle – ich wiederhole: alle – Tasten sechsfach belegt sind. Ein Beispiel: Die Zeichen n N ( 4 ν ℕ befinden sich alle auf derselben Taste.

Hier tritt auch gleich ein weiterer Vorteil zutage: Mit mehr Ebenen lassen sich mehr Zeichen auf die begrenzten Tasten verteilen. Die Ebenen beherbergen im Wesentlichen

  1. lateinische Kleinbuchstaben und Zahlen
  2. lateinische Großbuchstaben und einige seltenere Sonderzeichen
  3. Sonderzeichen zum Programmieren und andere häufigere Sonderzeichen
  4. Navigations-Tasten (Pfeil-Tasten, etc. ) und ein Nummernblock
  5. griechische Kleinbuchstaben
  6. griechische Großbuchstaben und mathematische Symbole

Überall sind noch weitere Sonderzeichen untergebracht. Es gibt somit direkt verschiedene Satzzeichen: «französisch» ‹f› „deutsch“ ‚d‘ “englisch” ‘e’ … • + − – — um Texte schöner und angenehmer zu schreiben.

Mathematische Aussagen ⟨ψ|φ⟩=0 ⇔ ψ⊥φ und Ausdrücke lim ∥x → ∞ lassen sich genauso bequem eintippen, wie das GROẞE ESZETT oder dìâkŗıtĭtïsćhẽ ℤeichen. Das kann man LaTeχ auch direkt als Eingebe-Symbole erklären. Damit wird man ganz viele unbequeme latexbefehle wieder los.

Der Wermutstropfen

Jetzt kommt das große Aber: Alle normalen Buchstaben sitzen nicht mehr auf ihrem „gewohnten Platz“. Statt qwertzuiopü liest sich die erste Zeile xvlcwkhgfqß. Erkennt ihr den ERNSTL des Glücksrades auf der zweiten Zeile wieder?

Neo-Tastaturlayout

Die erste von insgesamt sechs Ebenen des Neo-Tastaturlayouts. Grafik von der Projektseite.

Man muss also die ganze Tastaturbelegung neu lernen, aber es geht erstaunlich schnell. Manchmal irritiert der Aufdruck auf der Tastatur noch, aber sonst komme ich schon recht gut klar. Auch die Programme und die Betriebssystemschriften sollten Unicode unterstützen, sonst ist das alles recht witzlos.

Ist das alles eurer Meinung nach überhaupt Wert, erzählt zu werden? Könntet ihr euch vorstellen, Neo einzusetzen, sei es nur der Sonderzeichen wegen? Was ist das für ein verrückter Mensch, der dieses Blog betreibt ¿¡!?