Religiöser Eifer

Ein Artikel von bejonet hat mich mal wieder über meinen »religiösen Eifer« für freie Software nachdenken lassen. Ja ich sage das wirklich bewusst: religiös.

Religiös?

Das Gefühl, freie Software und deren Nutzung rechtfertigen zu müssen, das Benjamin sehr gut in seinem Artikel schreibt, kenne ich auch. Vor allem wenn ich mich selbst heute mit mir in der »Vor-Linux-Zeit« vergleiche. Einigen meiner Freunden gehe ich mittlerweile wirklich schon auf die Nerven mit meinem Linux-Quaksprech. Das gebe ich zu. Das Problem ist auch, dass man bei solch tiefen Überzeugungen oder Grundannahmen zum sogenannten Backfire-Effect neigt. Ja, du bist nicht so schlau, wie du manchmal denkst. Darum bringt es manchmal auch nichts, andere Menschen überzeugen zu wollen, oder sieht sich gezwungen, seine eigenen Überzeugungen verteidigen zu müssen. Darum vergleiche ich das mit Religion. Diese Referenz auf Religion ist in keiner Weise wertend gemeint.

Fakten!

Teilweise ist man auch verwundert darüber, was andere Menschen für Vorstellungen, Vorurteile oder Meinungen über bestimmte freie Software – oder gar freie Software an sich – haben. Fakten können helfen, aber Menschen, die z.B. Linux nie ausprobiert haben und dann meinen »es sei ja so nutzer-unfreundlich«, haben leider keine Ahnung, wovon sie reden. Ob die Aussage denn nun stimmt, oder nicht, sei dahingestellt.

Zum Glück (oder leider?) bin ich für eine bestimmte Anwendung noch auf Windows angewiesen – Treiberprobleme neuer Hardware sind der Grund. So habe ich eine gute Vergleichsmöglichkeit und ich kann sagen, dass ich von Windows 7 positiv überrascht war. Nicht, dass ich das mit meinen derzeitigen Gewohnheiten zum ernsthaften Arbeiten intensiv nutzen könnte. Dafür habe ich einige Bequemlichkeiten der Linux-Welt einfach zu sehr lieben gelernt und ganz ohne Probleme ist Win7 auch nicht.

Es gibt Fakten, die einen immer wieder in seinen Ansichten bestätigen. Diese findet man vor allem, wenn man sich in der Open-Source-Blase aufhält. Widersprechende Fakten findet man in dem Fall dann eher selten, würden mich persönlich aber wirklich mehr und mehr interessieren.

Gefängnisse

Was ich persönlich teilweise noch schlimmer finde, als proprietäre Software an sich, sind die ganzen damit assoziierten Gefängnisse. Aber dazu vielleicht demnächst mal mehr.

Also?

Meine derzeitige Schlussfolgerung ist niemandem irgendwas aufschwatzen zu wollen, was er eigentlich nicht haben will. Freie Software hin oder her. Mal schauen, wie lange ich das aushalte – ich muss mich wirklich zusammenreißen.

Trotzdem habe ich vor ein paar Wochen noch einen Sieg in dieser Richtung für mich verbuchen können: Der letzte Mensch, mit dem ich regelmäßig über ICQ gechattet habe, hat sich nun überreden lassen, parallel Jabber zu benutzen. Nun muss ich ICQ nicht mehr benutzen. Das entscheidende Argument war tatsächlich die AGB von ICQ, auf alle übertragenen Inhalte uneingeschränktes und exklusives Verwertungsrecht zu erheben. Aber offene Standards sind vielleicht nicht so einfach mit freier Software zu vergleichen.

Was ich definitiv weiterhin tun werde: Auf Nachfragen erklären, was denn da auf meinem Rechner läuft. Die Erkenntnis, dass Windows und OS X nicht die einzigen Optionen sind, muss irgendwann mal im Bewusstsein der breiten Bevölkerung ankommen.

Freiheit von Wissen und Kultur

Das Internet ist schon eine schöne Sache.

Es erlaubt mir instantan meine Gedanken in die große weite Welt zu tragen. Es ist eine unglaublich mächtige Infrastruktur. Es transportiert Bilder, Texte, Filme – alles kodiert in Zahlen. Zahlen die man abschreiben kann. Solange man noch weiß, was sie kodieren, geht das alles klar! Kopieren wird dies im allgemeinen genannt.

Kennt auch jeder, was schreibe ich hier für einen Stuss. Macht auch jeder, braucht man keinem zu erklären. Wo will man denn sonst diesen Text hier lesen …

Moment.

Digitale Daten

Hat irgendwer von euch hier irgendwelche Zahlen abgeschrieben? Ich hoffe doch nicht: Nicht persönlich, nicht per Hand. Genau das machen Programme für uns. Sie stellen die Zahlen, auch Daten genannt, in für uns Menschen lesbarer Form dar. Sie können aber noch untereinander kommunizieren. So kann ich Fotos von meiner Digitalkamera ins Internet hochladen. Toll!

Was auch großartig ist: Maschinen können sogar noch komischere Bilder aufnehmen, mit noch viel mehr Details als auf meiner Digitalkamera, für noch viel kleinere Objekte. Ein Beispiel: das Forschungszentrum CERN in der Schweiz. Dort werden Zahlen gemessen, die mehr oder weniger das Bild unserer Welt verbessern sollen. Also im übertragenen Sinne. Dort fielen so viele Daten an, dass ein Rechner das alleine gar nicht mehr bewältigen konnte. Die Daten mussten verteilt werden, vor allem aber Informationen über diese Daten. So nahm auch das Weltweite Netz in seiner heutigen Form seinen Anfang. Das wo man von blauen Textpassagen, über noch mehr blaue Textpassagen auf andere Textpassagen kommt … und so weiter. Ihr wisst schon, der Vorläufer der Wikipedia, wo alles Wissen dieser Welt gerade zusammengetragen wird.

Kriminelle Kopien

Dieses Internet bietet schon ganz schön viele Freiheiten. Freiheiten zur Kommunikation, Organisation, Revolution und … zur Kriminalität? Ja klar, mag der ein oder andere sagen. Kopieren ist ja schließlich illegal. Nix gibt es um sonst im Leben, heißt es immer. Wenn ich Musik kopiere, wenn ich Texte oder Bilder kopiere und sie in meine Doktorarbeit schreibe ist das illegal. Naja so in etwa. Bei Texten kann man sich noch raus reden, wenn man das als Zitat markiert und den Urheber nennt, bei Bildern die Quelle. Dann geht das wieder in Ordnung – darf man dann nur nicht vergessen. Bei Musik geht das aber nicht. Da hat die Gema was dagegen.

 

Explizite Erlaubnis

 

Ganz schön verquer, nicht wahr? Aber wer entscheidet denn sowas? Wer entscheidet, was mit dem hier geschriebenen Text getan werden darf? Was mit den Texten der Wikipedia? Ganz einfach: Der Urheber. Er hält das Urheberrecht. Er kann bestimmen, was mit seinem Werk getan werden darf, was nicht. Lizenz wird es genannt, wenn ich anderen Menschen die Erlaubnis erteile meine Werke zu nutzen. Ich könnte auch gleich mein Werk einer großen Firma abgeben, die das dann richtig verwalten und verteilen kann. Verwertungsrecht wird das in dem Fall genannt.

Wer dann mein Werk nutzen möchte, der schreibt mich an und ich gebe ihm eine Lizenz, meinen Text, mein Bild und meine Videos weiter zu verarbeiten. Sonst macht das der Verlag, falls er das überhaupt erlaubt. Der will da aber Geld für haben. Ist ja klar. Wie eigentlich auch schon für die Nutzung des Werkes. Ob ich dann jemals wieder etwas von dem Geld sehe? Ungewiss. Geld ist ja eh blöd. Ich schreibe Texte ja nicht, weil ich damit Geld verdienen will, sondern weil ich euch zum Nachdenken anregen will. Die wenigen, die jetzt überhaupt noch da sind. Und überhaupt will ich nicht mit Anfragen genervt werden. »Ja du darfst«, wäre eh die Antwort. Was will ich es denn groß verbieten? Vielleicht gibt mir mal jemand einen Tee aus, für die lustigen oder verwirrten Texte die ich schreibe. Dann wäre ich ja schon glücklich. Vielleicht geht auch mal jemand zu meinen Konzerten, wenn ich Musik mache. Wäre doch cool, wenn ich einen Stempel auf meinen Text machen könne, wo »Du darfst …« drauf steht.

Solch ein Stempel heißt Lizenz. Moment das hatten wir doch schon. Aber diesmal wäre es ja eine Freiheits-Lizenz. Eine explizite Erlaubnis für jedermann. Eine Lizenz ist also gar nicht böse? Wie lustig. Aber wie kann ich als juristisch unerfahrener Mensch einen Lizenztext erstellen? Das kann man doch keinem Zumuten. Richtig. Dafür gibt es Spezialisten. Für jeden Zweck eine Lizenz.

Einfallsreiche Ermächtigung

Künstlerische Werke (Texte, Musik, Filme, …) können unter einer Creative-Commons-Lizenz (CC) gestellt werden. Dann heißt es »Einige Rechte vorbehalten«. Welche genau das sind, hängt von der Lizenz ab. Dieses Blog steht auch unter einer CC-Lizenz, die mit CC BY-SA abgekürzt wird. Jeder darf Kopieren, jeder darf verändern, solange mein Name genannt wird (BY). Ein meiner Meinung nach interessanter Zusatz ist genau der letzte, das share alike (SA) (»Weitergabe unter gleichen Bedingungen«, wie es zu deutsch heißt): Es bringt einen viralen Effekt. Jedes Werk, das von meinem abgeleitet wird, muss unter dieser Lizenz bleiben. Es gibt noch den Lizenzbaustein nichtkommerziell (NC), was verbieten würde, das Werk zu gewerblichen Zwecken zu nutzen. Ist mir persönlich aber egal. Einigen Musikern vielleicht nicht, deshalb sei es mal erwähnt.

Konzession der Quellen

Den viralen Effekt haben die Creative-Commons von einer anderen Lizenz abgeschaut, die schon vorher existierte. Die GNU General Public Licence. Eine Lizenz für Software, die explizit die Verbreitung, Veränderung und Weitergabe des Quellcodes erlaubt. Der virale Effekt ist hier auch noch gegeben, wenn die Software aus verändertem (menschenlesbaren) Quellcode in ein (maschinenlesbares) Programm übersetzt wird und erst dieses Programm weiter verteilt wird. Die Lizenz muss genannt werden und der Quellcode auf Anfrage zugänglich gemacht werden.

Nicht ganz so viel Freiheit räumt die BSD-Lizenz dem Quellcode, aber noch mehr dem Entwickler ein: Dieser muss den Quellcode für das fertige, veränderte Programm nicht zwangsweise wieder offenlegen. Er darf selbst entscheiden, was er mit dem Quellcode anstellt.

Bei dieser Offenlegung des Quellcodes wird von Open-Source-Software, quelloffener Software, oder freier Software gesprochen.

Im wissenschaftlichen Bereich macht momentan Open-Access (offener Zugang) von sich reden. Ist das ganze weitergedacht für wissenschaftliche Aufsätze, damit jedermann kostenlos Aufsätze lesen kann.

Wunderbare Wirklichkeit

Ja das war eine schöne Übung, doch wem nützt das schon? Wer benutzt denn so etwas? Damit kann man doch kein Geld machen.

Es gibt tatsächlich Creative-Commons-Musik. Nicht mit der GEMA kompatibel, aber wer steht schon auf Mainstream? Es gibt auch mehrere Quellen für CC-Musik. Bemüht mal eine Suchmaschine eures Vertrauens.

Es gibt recht viele frei verfügbare Bilder (und andere Medien) bei den Wikimedia-Commons, dem Medien-Dienst der Wikipedia.

Freie Software ist ein viel zu großer Bereich, als das ich jetzt hier irgendwas hervorheben möchte. Das geht von Webbrowsern, Mini-Anwendungen, und Spezial-Software bis zu Betriebssystemen. Oft ist die Software gut, manchmal besser, hin und wieder sogar Quasistandard in ihrem Bereich. Und in der Regel kostenlos. Trotzdem rechnet sich das doch noch für einige Unternehmen. Andere sind sehr glücklich über Spenden, vor allem wenn Vereine und Stiftungen die Weiterentwicklung finanzieren.

Es gibt noch andere freie Lizenzen für diese und andere Anwendungsgebiete. Sollte mal nur so ein kleiner Abriss sein. Um in Zukunft weniger Fragen beantworten zu müssen.